Für viele Menschen kam der Alarm um viertel vor zehn am 22. März vor 76 Jahren zu spät. Die 800 Flugzeuge waren schon dabei über eine Million Bomben über der Stadt abzuwerfen. Über 1.000 Menschen starben, Tausende wurden verletzt und über 12.000 verloren ihr Zuhause. Die mittelalterliche Altstadt glich einer Trümmerwüste und war komplett zerstört.
„Doch aus den Trümmern ist in den vergangenen Jahrzehnten eine offene, tolerante und demokratische Gesellschaft gewachsen, die gemeinsam gewaltige Herausforderungen meistern kann. Auch wenn der Gedenkgottesdienst im Dom St. Bartholomäus aufgrund der Corona-Krise abgesagt werden musste, können wir gemeinsam der Opfer gedenken“, sagt Bürgermeister und Kirchendezernent Uwe Becker.
„An der aktuellen Situation können wir als Gesellschaft wachsen. Wir schränken aus Solidarität für die Gemeinschaft unsere sozialen Kontakte ein und versuchen so die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Wir halten zusammen, obwohl wir gerade nicht viel Zeit persönlich zusammen sein können. Jetzt können wir beweisen, dass unsere Gesellschaft stark ist und zusammenhält. Der 22. März steht in den Geschichtsbüchern schließlich auch nicht singulär, sondern im Kontext des Zweiten Weltkrieges, als die Nationalsozialisten unfassbares Leid über viele Millionen Menschen in Frankfurt, Deutschland, Europa und der Welt gebracht haben. Das gesellschaftliche Leben kann sich jederzeit schleichend und auch massiv ändern. Das zeigt uns die aktuelle Situation sehr deutlich. Zeigen wir jetzt doch gemeinsam, dass unsere Gesellschaft an Herausforderungen wächst und sich nicht spalten lässt“, betont Uwe Becker.
Die Zerstörung nach dem fast einstündigen Bombenhagel am Abend des 22. März 1944 war in Frankfurt erheblich und hat die Stadt selbst stark verändert. Insgesamt wurden durch die Luftangriffe, die seit 1940 geflogen wurden, 180.000 Menschen obdachlos, rund 7.000 Gebäude zerstört, nur noch 16 von 124 Schulen waren intakt und nur noch zwei von 22 Krankenhäusern.
„Natürlich kann nichts und darf nichts miteinander verglichen werden, schon gar nicht dürfen die Verbrechen des Nationalsozialismus in Vergleichen relativiert werden. Gleichsam schließt die persönliche Trauer und das Gedenken im einen das andere nicht aus“, sagt Uwe Becker. „Die Zerstörung der Frankfurter Altstadt hat viele Narben hinterlassen. Die Narben dieser schrecklichen Nacht prägen auch heute noch das Frankfurter Stadtbild. Zuvor wurden bereits Narben der Menschlichkeit vieler, die Mitläufer oder Täter waren, bei vielen Familien, die Opfer der Nationalsozialisten waren, hinterlassen.“
Die neue Frankfurter Altstadt erinnert an die Geschichte und macht sie lebendig. Junge Generationen haben so die Möglichkeit, ein Verständnis für das Leben vor dem Zweiten Weltkrieg zu entwickeln. Gleichzeitig soll die neue Altstadt aber auch zeigen, dass ein Teil der Identität Frankfurts verloren gegangen ist und Mahnung sein.
„Es ist unsere gemeinsame Verpflichtung, uns immer und überall für ein freiheitlich-demokratisches, liberales und weltoffenes Frankfurt einzusetzen. Wir müssen immer und überall mahnen und aufstehen. Wir sind dazu verpflichtet, unsere Stimme gegen Unrecht, gegen Gewalt, Diskriminierung, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit zu erheben und unsere Stadt vor Extremismus zu schützen. Wir sind heute die Autoren unserer Geschichte“, betont Uwe Becker. red